«Ich habe ein Gen fürs Kochen»
Die Nürensdorferin Elsbeth Reiser hat eine grosse Leidenschaft: Das Kochen. Im Interview spricht sie über ihre Inspiration, Veränderungen der letzten Jahre und was für sie gutes Essen bedeutet.
Elsbeth Reiser, Sie kochen für das Ortsmuseum, für den Seniorenmittag und den BigTisch der Reformierten Kirche Breite, Sie waren Mittagstischköchin im Hatzenbühl…
…ja, all das und noch vieles mehr. Ich habe auch in Lagern und bei Räbeliechtli-Umzügen gekocht oder zum Beispiel Backkurse in der Schulküche gegeben. Ich koche und backe einfach gern.
Was fasziniert Sie daran?
Beim Kochen kann ich etwas Kreatives herstellen und den Leuten viel Freude bereiten. Die Wertschätzung, die ich dabei erfahre, ist enorm. Nicht nur von Erwachsenen, sondern auch von den Schülern. Viele von den Schülern sprechen mich im Erwachsenenalter noch auf den damaligen Mittagstisch an. Als ich im Jahr 2021 im Alter von 68 Jahren aufgehört habe, hat mir zum Abschied ein Schüler ein geflochtenes Herz geschenkt. Das Kochen gibt mir so vieles retour.
Wo haben Sie Kochen gelernt?
Gute Frage – das weiss ich selbst nicht. Ich war jedenfalls nie bei meiner Mutter in der Küche. Als ich sechzehn Jahre alt war, habe ich bei einer Bekannten in einem Restaurant mitgeholfen. So bin ich hineingerutscht. Nach ein paar Wochen habe ich in diesem Restaurant schon gekocht. Ich habe wohl ein Gen fürs Kochen.
Was macht eine gute Köchin aus?
Das Gespür fürs Essen, ich nenne es das Mundgefühl. Manchmal muss ich das Essen nicht einmal probieren; ich bin überzeugt, dass es passt.
Was bedeutet denn gutes Essen für Sie?
Es muss «handglismet» sein, also so wie die Grossmutter gekocht hat. Die Menschen schätzen einfache, traditionelle Gerichte. Hackbraten mit Polenta oder Schweinsbraten mit Kartoffelstock zum Beispiel. Wichtig ist, dass die Speisen selbst gemacht sind. Und: Ich koche mit Spitzenprodukten – das heisst, ich verarbeite möglichst lokale, frische Zutaten. Fertigprodukte kommen bei mir nicht auf den Tisch. Ich mache sogar das Brot selbst, das ich als Beilage reiche. Natürlich könnte ich es mir einfacher machen, aber das will ich nicht. Das ist eine Frage des Handwerksstolzes.
«In der Regel koche ich wie zu Grossmutters Zeiten. Ich brauche keine speziellen modernen Hilfsmittel.»
Sie kochen oft für mehrere Dutzend Leute einen Dreigänger, und zwar ganz allein. Wie macht man das?
Wenn ich ehrlich bin: Ich koche sogar lieber für 200 Menschen mit einem Team, als für zwei. Man darf keine
Angst vor den grossen Mengen haben, denn es ist nur eine Sache der Organisation. Gute Vorbereitung ist wichtig; einen Teil des Essens bereite ich manchmal schon vorher daheim zu. Für die Mengenangaben nutze ich oft die App «Rezepte aus der Militärküche». Bei Erwachsenen kann ich die Menge gut abschätzen, Kinder sind in der Regel die Hälfte. Am schwierigsten zu berechnen sind die älteren Menschen; da kann der Appetit sehr unterschiedlich sein. Und bei den Jugendlichen rechne ich mindestens zehn Prozent der Menge dazu.
Woher holen Sie die Inspiration für Ihre Menüs?
Irgendetwas kommt mir immer in den Sinn, und zwar meistens spontan. Im «Hatzi» haben mich die Schüler jeweils in der Pause gefragt, was es denn am nächsten Tag zu essen gäbe. Meine Antwort war stets: Fragt mich morgen, ich weiss es selbst noch nicht. Manchmal lasse ich mich von Foodwaste-Gemüse oder ähnlichen solchen Aktionen inspirieren. Dass tonnenweise Gemüse oder beispielsweise auch Raclettekäse weggeworfen wird, nur weil das Produkt nicht ganz der Norm entspricht, kann ich nicht verstehen. Da versuche ich gegenzusteuern, indem ich für meine Menüs auch solche Produkte kaufe.
Inwiefern hat sich das Kochen in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Bei den Hausfrauen haben sich die Menüs sicher verändert, die Palette ist anders geworden. Aber bei mir hat sich kaum etwas geändert. Zwar koche auch ich mal ein Gemüsecurry mit Kokosmilch oder probiere Produkte aus von der Firma «Planted»; die haben einige Fleischersatz-Produkte, die ich mag. In der Regel koche ich aber wie zu Grossmutters Zeiten. Ich brauche keine speziellen modernen Hilfsmittel. An den meisten Orten habe oder hatte ich eine normale Haushaltsküche zur Verfügung, einfach mit grösseren Pfannen. Ich finde es aber auch super, wenn eine vollausgestatte Küche vorhanden ist.
Obwohl Sie hier in der Region vielen als Köchin bekannt sind – eigentlich sind Sie Hauswartin von Beruf. Warum haben Sie nicht Köchin gelernt?
Mitte zwanzig wollte ich tatsächlich einmal das Wirtepatent machen, aber es hat sich nie ergeben. Dafür habe ich jetzt mit den Mittagstischen so etwas wie meine eigene Beiz, das ist wunderbar. Gelernt habe ich eigentlich Eisenwaren- und Werkzeugverkäuferin, im Verkauf habe ich dann aber unter anderem in einer Bäckerei und einem Blumenladen gearbeitet. Ein Kollege hat mich später auf die Ausbildung zur Hauswartin angesprochen. Die hat mir gefallen, und im Jahr 1991 habe ich sie als erste eidgenössisch diplomierte Hauswartin der Schweiz abgeschlossen. Im Jahr 1995, im Alter von 42 Jahren, musste ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Bewerbung schreiben, als ich mich im «Hatzi» um die Stelle beworben habe. Mit Erfolg – ich habe mich damals gegen die Männer durchgesetzt und die Stelle bekommen. Und ich bin bis zur Pensionierung im «Hatzi» geblieben.