Wie man junge Menschen wieder für Nachrichten begeistert
Im Studium «Kommunikation» an der ZHAW ist es Pflicht, ein Semester lang ein Praktikum zu absolvieren. Meines hat mich 695 Kilometer Luftlinie von Oberwil nach Hamburg gebracht. Dort habe ich gelernt, wie anders das Grossstadtleben ist und wie man TikToks schneidet.
Alles hat mit einem LinkedIn- Post angefangen. Als ich vergangenes Jahr auf der Suche nach einem Praktikum war, bin ich auf das Projekt «#UseTheNews» gestossen. «Die Allianz für Nachrichtenkompetenz» stand gross auf der Website, als ich mich dort umsah nach Job-Angeboten. Eine Stelle für eine Praktikantin war nicht offen. Trotzdem schickte ich wenige Tage danach eine Blindbewerbung nach Hamburg und erhielt noch am selben Tag eine Mail vom Geschäftsführer.
Bald war klar: Ich gehe für fünf Monate nach Hamburg. Am 15. August bin ich dann in Zürich in den Nachtzug nach Hamburg gestiegen, mit meinem Koffer und ein bisschen Angst vor der Herausforderung.
Hamburg fühlt sich nicht wie eine 1,9-Millionen-Stadt an. Vermutlich liegt es an den unzähligen Kanälen, die sich durch die Stadt ziehen. Hamburg hat mehr Brücken als Venedig und Amsterdam zusammen: insgesamt 2500. Trotzdem ist die Stadt grösser als man meint. Es gilt die Faustregel, dass man immer ungefähr 25 Minuten von einem zum nächsten Ort hat und das stimmt erstaunlicherweise fast immer.
«Moin!»
An meinem ersten Arbeitstag habe ich mich mit der U-Bahn verfahren. Nach einigen Anläufen und einem verzweifelten Gespräch mit dem Kiosk-Verkäufer habe ich es doch noch zum Geschäftssitz der dpa Deutsche Presse-Agentur geschafft. Dort ist nämlich das Büro von «#UseTheNews», denn die dpa ist Mitbegründerin des Projekts. Ein Projekt für mehr Nachrichtenkompetenz mit dem Hauptziel, junge Menschen wieder für Journalismus zu begeistern. Die Anzahl an Personen, die sich von Nachrichten abwenden, ist sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz steigend.
Die nächste Generation ist nicht uninteressiert am Weltgeschehen – aber sie konsumiert Nachrichten anders.
Insbesondere junge Menschen sind aber täglich einer Flut an Informationen ausgesetzt durch Social Media. Darum ist wichtig, dass bereits Jugendliche lernen, Quellen und Nachrichten zu prüfen und kritisch zu hinterfragen. Gleichzeitig muss sich auch der Journalismus mit dem Wandel befassen und sich neu ausrichten. Mit all diesen Problemen beschäftigt sich «#UseTheNews».
Ich habe zum einen in der organisatorischen «Zentrale» gearbeitet, wo das ganze Projekt koordiniert wird und zum Beispiel Newscamps realisiert wurden. Dabei handelt es sich um Events für Jugendliche mit Festival-Charakter, an denen sie verschiedene Workshops zu journalistischen Themen besuchen können. Zum anderen hatte ich die Möglichkeit, zwei Tage in der Woche im Media Lab zu arbeiten. Dort wurde eine Social Media-Redaktion aufgebaut, um verschiedene Formate zu testen für die Zielgruppe der Generation Z.
TikTok, Twitch und Berlin
In meinem Praktikum wollte ich vor allem meine Video-Skills verbessern. So war eines meiner Hauptprojekte das Schneiden von TikTok-Videos für das Twitch-Team. Twitch ist eine Live-Streaming-Plattform, die vor allem für Gaming bekannt ist, aber auch Inhalte zu Musik, Talkshows und aktuellen Themen bietet. Creators streamen in Echtzeit und interagieren direkt mit ihrem Publikum. Das Ziel von «#UseTheNews» war, einen Kanal auf Twitch zu entwickeln, auf dem man Games mit gesellschaftspolitischen Themen in Verbindung bringt.
Wie im Fiebertraum
Mein Höhepunkt dieser fünf Monate: Eine Woche in Berlin als Teil einer gläsernen Redaktion im Museum für Kommunikation zu arbeiten. Es war eine Woche wie im Fiebertraum. Ich war bei einer Ausstellungseröffnung dabei, durfte auf einem Panel bei der Minds-Conference sprechen und natürlich: Videos schneiden.
Mein Fazit: Die nächste Generation ist nicht uninteressiert am Weltgeschehen – aber sie konsumiert Nachrichten anders. Der Journalismus steht vor einem Wandel, für den es noch keine endgültigen Antworten gibt. Ich suche weiter nach neuen Lösungen, zurück in Zürich, wo «#UseTheNews» seit letztem Jahr auch in der Schweiz aktiv ist. Desinformation betrifft uns alle, egal ob in Hamburg oder Oberwil. Umso wichtiger, dass wir lernen, kritisch zu hinterfragen, was wir online sehen.