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Essigwasser ein Herbizid?

Herbstzeit ist für viele private Gärtner die Zeit, den Garten aufzuräumen, herabgefallenes Laub zusammenzurechen, den letzten Rasenschnitt zu erledigen und abgeblühte Pflanzen abzuschneiden. Dabei propagieren Gärtner und grüne Institutionen, dass weniger mehr ist im Sinne der Tiere und Biodiversität.

Eine blütenreiche und für verschiedenste Bienenarten wertvolle Fläche muss nicht viel Arbeit geben. (zvg)

Laubbläser brummen, Häcksler schreddern lautstark die Stängel verschiedenster Büsche und gerecht wird, was das Zeug hält. Es ist Herbstzeit! Privatgärtner werden nochmals aktiv und bereiten ihre Gärten auf die Winterruhe vor. Der Brüttener Gärtner Adrian Hänni sieht diesem Treiben mit gemischten Gefühlen entgegen. Als Kundengärtner ist er zurzeit ebenfalls viel unterwegs, um die Gärten winterfest zu machen. Dabei achtet er aber explizit darauf, dies möglichst umweltverträglich zu erledigen. Beispielsweise bildet er für Kleintiere jeweils mit dem Schnittgut einen Haufen, damit sie überwintern können oder lässt an verblühten Stängeln oder Beerensträuchern noch Futter für Vögel und Insekten stehen. Geschnitten werden nur einige Gräser. «Ich beschäftige mich schon seit meiner Lehre mit dem Thema Biodiversität und Pflanzenschutz und versuche auch, Kunden von diesem Weg zu überzeugen.»

Biodiversität in aller Munde

Während sich das Thema Biodiversität wie ein Netz über die Schweiz spinnt und immer mehr Akteure mit Projekten die Artenvielfalt in der Schweiz fördern wollen, wachsen in den Privatgärten die Steingärten im selben Masse und Pflanzenschutzmittel – welche nachweislich der Biodiversität nicht förderlich sind –werden weiter munter eingesetzt.

Adrian Hänni stört sich daran, dass man nur auf die Gilde der Bauern zeigt und die Landwirtschaft als eines der Hauptübel sieht für den Klimawandel und den Einsatz von Pestiziden. Zwar beeinflusst die Landwirtschaft mit einem Drittel der Flächennutzung die Arten- und Lebensraumvielfalt in der Schweiz so stark wie kaum eine andere Tätigkeit, sagt das Bundesamt für Landwirtschaft, sie produziere damit aber auch Biodiversität.
Adrian Hänni bricht eine Lanze für die Landwirtschaft und sagt dazu: «Ein gesunder Boden ist die Lebensgrundlage eines jeden Bauern, er gewinnt definitiv nicht, wenn er seine eigene Arbeitsgrundlage zerstört». Er hält dagegen, dass viele Privatgärtner unbekümmert Pflanzenschutzmittel einsetzen. Beispielsweise beim gesunden Gemüse im Privatgarten, dass mit verschiedensten Mitteln fürs Wachstum und gegen Schädlinge bald zu Sondermüll degradiert wird. Bis zu 20 Prozent der Pestizide werden von Privaten gekauft, so schätzt das Bundesamt für Landwirtschaft. «Da werden auch immer noch Mittel aufgebraucht, die schon seit 2001 verboten sind», gibt Hänni zusätzlich zu bedenken. So werden laufend noch Unkrautvernichter eingesetzt auf Strassen, Wegen und Terrassen, obwohl das Verbot auch dafür gelte. Auch biologische Herbizide seien am Ende Herbizide – inklusive von Essigwasser, was als Ersatz eingesetzt werde.

Der Brüttener Adrian Hänni möchte möglichst naturnahe Gärten gestalten. (sg)

Teufelskreis Schotterwüste

Adrian Hänni sieht bei der Ausübung seines Berufes viele Gärten, welche der Biodiversität entgegenwirken. Schotterwüsten, welche sich im Sommer aufheizen und keinen Kleinlebewesen Lebensraum bieten. Golfrasenflächen, die mit viel Herbiziden, Fungiziden und Dünger auf topgrün getrimmt werden und keinem Schmetterling Nektar bieten. Steinbeete, welche die darunterliegende Erde kaputt machen, Nützlinge sucht man vergebens in solchen Gärten. «Meiner Meinung nach sind solche Gartenideen ein Luxusproblem der Konsumenten: sie wollen möglichst wenig Aufwand, der Garten soll klar geordnet und geometrisch sein mit grossartigen, exotischen Pflanzen, wie man sie in den Ferien in fernen Ländern sieht». Nur seien solche Pflanzen nicht gemacht für unsere Breitengrade und reagierten mit Krankheiten, die man möglichst mit einem Pflanzenschutzmittel wieder ausmerzen wolle. Ein Teufelskreis, der nicht aufgehe und der Biodiversität entgegenwirke. «Für mich ist der Gesinnungswandel und die Ernsthaftigkeit des Anliegens Biodiversität noch nicht bei allen angekommen.»

Projekte allerorten

Pro Natura hat bei einer im Mai dieses Jahres durchgeführten Umfrage erhoben, dass 57 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer wissen, dass Biodiversität etwas mit natürlicher Vielfalt zu tun habe. Allerdings glaubten auch gleich viele Befragte, dass die Biodiversität in der Schweiz in einem «guten» oder «eher guten» Zustand sei. Ein Trugschluss, wie Pro Natura mitteilt. Mit Aktionen wie der vom Schweizer Fernsehen SRF übernommenen Aktion «Mission B», dem Aufruf des Unternehmerverbandes Gärtner Schweiz JardinSuisse, Kunden naturnahes Gärtnern näherzubringen oder auch einer wildbienen-nah gestalteten Umgebungsfläche im Siedlungsraum wie von der Zürcher Kantonalbank soll dieses Verständnis zunehmen.

Baum als Klimaanlage

Adrian Hänni versucht gleiches im Kleinen. In den vom ihm gepflegten Gärten arbeitet er möglichst mit einheimischen Pflanzen, legt Stein- oder Kiesflächen mit entsprechender Bepflanzung an oder lässt eben im Herbst vieles stehen, was den Tieren über die Winterzeit Unterschlupf oder Nahrung sein kann. «Bäume sind beispielsweise beste Klimaanlagen, spenden Schatten und schützen vor zu grosser Hitze und Sonneneinstrahlung». Jedoch störten sich viele daran, weil sie die Aussicht entziehen oder ihr Laub abwerfen im Herbst.

«Jeder von uns sollte sein eigenes Verhalten hinterfragen. Das geht vom Garten bis zum Konsum von Lebensmitteln aus fernen Ländern oder in der falschen Jahreszeit. Wir sind ein Teil eines Ganzen: Insekten im Garten können auch Nützlinge sein, die wiederum andere anlocken. Selbst lästige Wespen sind Nützlinge, sie fressen nämlich unter anderem Läuse», erklärt der ambitionierte Gärtner.

Den nächsten Sommer im Blick

Der Kanton Zürich verfügt seit 2021 über eine Bienenfachstelle, deren Aufgabe es ist, die Förderung von Wild- und Honigbienen zu verbessern. Auf ihrem Portal finden sich für Laien wie für Fachleute zahlreiche fachlich geprüfte Informationen. Bienenfreundliche Massnahmen kann man ideal im Herbst umsetzen, wie die Fachstelle wissen lässt.
So sind auch umfassende Informationen zur Wildbienenförderung im Herbst zu finden. Neben Tipps zur Gartenpflege und der Schaffung von Nistplätzen findet sich eine Liste verschiedener Blumenzwiebeln, welche für Bienen besonders wertvoll sind, wie Krokusse, Schneeglöckchen oder Laucharten. Auch fürs Anlegen von Ruderalflächen, welche besonders wertvoll sind für eine grosse Zahl wildbienenfreundlicher Pflanzen, stehen ebenfalls umfassende Informationen, Artikel oder auch weiterführende Links bereit. Wie man einen Garten anlegt, um auf Pestizide zu verzichten, ist nur das Sahnehäubchen. (sg)
www.bienenfachstelle-zh.ch/infopool

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