Brütten

Lücke im Notfallszenario schliessen

Für die Mitglieder des Vereins «Notfunk Brütten HB9NB» sind in der Kommunikation zwischen der Bevölkerung und den Behörden in einem Notfallszenario diverse Fragen offen. Sie haben Regierungsrat Mario Fehr als Sicherheitsdirektor Ende Juni ihre erarbeitete Lösung präsentiert.

Der Brüttener Erwin Schütz ist federführender Projektleiter im Verein «Notfunk Brütten HB9NB». (sg)
Das Notfunk Rack ist das Herzstück der Brüttener Lösung. (sg)

Der unscheinbare Baucontainer neben der Gärtnerei in Brütten fällt nur durch die Antennen auf demselben auf. Darin versteckt ist jedoch viel Technik. Die Notfunkstation Brütten wurde im Frühling 2023 eingerichtet und in Betrieb genommen. Dort treffen sich regelmässig die zehn Vereinsmitglieder, um ihrem Hobby zu fröhnen und Notfunkanlagen zu testen und zu unterhalten.

Erwin Schütz ist einer davon und zudem auch verantwortlicher Projektleiter für ihre Idee, bei einem Blackout oder auch einer Stromabschaltung mithilfe eines Notfunkracks die Kommunikation der letzten Meile – also zwischen Bürgerinnen und Bürgern und den zuständigen Rettungsorganisationen oder Führungsstäben – aufrecht zu erhalten.

Bereits haben Behörden Notfalltreffpunkte eingerichtet, welche mit dem schweizweit einheitlichen Behördenfunksystem Polycom ausgerüstet sind. Damit ist zwar das Kommunikationsbedürfnis der Behörden mit Feuerwehr, Polizei und Zivilschutz gedeckt, jedoch bei einem Ausfall der Mobiltelefon-Verbindungen diejenige der Bevölkerung und Gemeindedienste nicht mehr. Hier sieht Kommunikationstechniker Erwin Schütz eine erhebliche Lücke, die er mit seinen einfachen und preisgünstigen Notfunkmitteln überbrücken möchte.

Erwin Schütz erklärt: «Wir haben alle in den vergangenen fünf Jahren erfahren, dass auch heute Bedrohungen vorhanden sind, die wir längst verloren geglaubt haben.»

Schütz würdigt durchaus die Notfallkonzepte des Kantons, des Bevölkerungsschutzes und der Gemeinden und es sei sicher in den letzten Jahren hier nochmals ein Ruck durch die Organisationen gegangen. Für eine kommunikative Lösung der letzten Meile sei jedoch nicht vorgesorgt. «Soeben sehen wir im Tessin, wie schnell es gehen kann, dass die öffentlichen Kommunikationsmittel ausfallen oder nur noch bedingt funktionieren», sagt Schütz. «Die Funktechnologie mit einfachen, analogen Funkgeräten sichert jedoch eine permanente und autarke Verbindung ohne komplexe und damit störanfällige Infrastruktur».

Keine Tüftler

Die Funkamateure des Vereins «Notfunk Brütten HB9NB» sind eigentliche Professionelle in Sachen Funktechnologie. Die zehn Mitglieder beschäftigen sich seit vielen Jahren – Erwin Schütz beispielsweise seit über 40 Jahren – mit Funktechnologie. Auch wenn die vier eingerichteten Arbeitsplätze im Brüttener Container wie die Lieblingsorte von Tüftlern wirken und auf den Bildschirmen laufend der Funkverkehr dargestellt wird, haben sie sich ein grosses Know-how erarbeitet und wissen, wovon sie sprechen. «Wir waren in der Berufswelt Ingenieure und gewohnt, technische Problemstellungen pragmatisch anzugehen und dafür eine Lösung zu finden», sagt der Winterthurer Carl Conrad Mäder, der mit Erwin Schütz am Projekt «Notfunk letzte Meile» seit vielen Monaten zusammenarbeitet. Selbst Erlebnistage für Schulklassen zur drahtlosen Kommunikation mit Experimenten und Demonstrationen bieten sie an.

«Soeben sehen wir im Tessin, wie schnell es gehen kann, dass die öffentlichen Kommunikationsmittel ausfallen oder nur noch bedingt funktionieren»

Erwin Schütz, Projektleiter

«Die Letzten, die pfeifen»

Funker seien immer schon Pioniere in der Kommunikation gewesen – bereits im zweiten Weltkrieg am Werk – und seien vom Tüftler-Image weit entfernt, stellt Mäder klar. «Unser Anspruch ist: wir sind die Letzten in einer Notsituation, die funken». Im Funkjargon heisst es einfach: «Wir sind die Letzten, die pfeifen!» Diesem Anspruch könne man gerecht werden, denn man habe über Jahre solche Situationen regelmässig geübt. Ein wichtiger Fakt, um auch in Krisenzeiten und unter Druck effizient zu arbeiten, sind sich die beiden Funker einig.

Alles in einer Box

Aus ihren Überlegungen und Erfahrungen haben die Vereinsmitglieder nun ein Notfunkrack konzipiert, welches alle Elemente beinhaltet für eine lückenlose Kommunikation bis zum Bürger. Das reicht vom Solarmodul, welches die nötige Energiezufuhr sicherstellen soll für die Gerätschaften, einem Notstromaggregat sowie allen für den Funk benötigten Installationen. Damit können die Blaulichtorganisationen über ihr Netz Polycom kommunizieren als auch Bürger über einfache mobile Handgeräte. Alles in einer Box. «Die Kosten solcher Notfunkracks stehen in keinem Verhältnis zu ihrem Wirkungsgrad».

Funke gezündet

Offensichtlich haben sie mit ihrer Idee auch einen Funken bei den Verantwortlichen des Kantons entzündet. Regierungsrat und Sicherheitsdirektor des Kantons Zürich, Mario Fehr, und der Chef Bevölkerungsschutzabteilung der Kantonspolizei, Dominik Schwerzmann, haben sich Ende Juni im Container den Nutzen und die Einsatzmöglichkeiten des Notfunkracks für den Bevölkerungsschutz aufzeigen lassen. «Es war ein spannendes und aufschlussreiches Gespräch», sagen die Amateurfunker. «Die beiden Herren haben sich Zeit genommen und sich das Ganze genau erklären lassen.»
Der Besuch in Brütten blieb nicht folgenlos. Durch die zuständige Abteilung der Kantonspolizei Zürich wurde innert kurzer Zeit ein Konzept für den Aufbau solcher Ergänzungsnetze erarbeitet, welches diese Überlegungen berücksichtigt und auch anerkennt, dass damit wichtige Bedürfnisse der Bevölkerung mit relativ bescheidenem Mitteleinsatz gedeckt werden könnten. Es steht den Gemeinden zur Umsetzung zur Verfügung.

Zusätzlicher Kanal

Das ab 2001 eingeführte Behördenfunksystem Polycom befindet sich in einem Erneuerungsprozess und soll insbesondere die Datenkommunikation und die Alarmierungsfunktionen zukünftig noch besser unterstützen. Erfahrungen zeigen, dass die analogen Funknetze im Ereignisfall schnell überlastet ein können. Hier sei jeder zusätzliche Kommunikationskanal als Ergänzung zu Polycom wichtig, weil in ausserordentlichen Lagen allgemein ein grösseres Bedürfnis zu kommunizieren bestehe, so Schütz. Mit der vorgeschlagenen Lösung hätten es die Gemeinden in der Hand, einen Mehrwert für die Bevölkerung zu schaffen.
https://notfunk-bruetten.ch

Das Notfunkrack im Faktencheck mit der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich

Wie beurteilen Sie die angedachte Lösung des Vereins Notfunk für die «letzte Meile» in Notfällen? Gibt es tatsächlich eine Lücke in der Kommunikation zwischen Gemeinden/Blaulichtorganisationen und den Bürgern in einem Notfallszenario?

Der Kanton, die Gemeinden und die Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes verfügen über robuste Kommunikationsmittel. So nutzen sie das Sicherheitsfunksystem Polycom für die Sprachkommunikation. Hier besteht somit keine Lücke.

Ist ein solches Notfunkrack ein prüfenswerter
Lösungsansatz und warum?

Bei Ereignissen, in denen die öffentlichen Kommunikationsmittel, wie Festnetztelefonie oder Mobiltelefonie, nicht mehr funktionieren, können die Gemeinden Notfalltreffpunkte betreiben, um die Bevölkerung zu informieren. Der sogenannte Bürgerfunk kann diese Kommunikation innerhalb der Gemeinden ergänzen.

Wo liegen die grössten Klippen, diesen Ansatz einzusetzen?

Soll Bürgerfunk in einer Gemeinde genutzt werden, müssen im voraus Planungen von den Gemeinden und den Funkvereinen erstellt werden, wie dieses Mittel eingesetzt werden soll. Dazu gehören zum Beispiel die Beschaffung von Geräten, die Bereitstellung von Bedienpersonal und ein Kommunikationskonzept.

Sind weitere Schritte angedacht oder ist es mit dem Besuch in Brütten bereits erledigt?

Nach dem Besuch in Brütten wurde ein Arbeitspapier erstellt. Dieses dient als Hilfestellung für Gemeinden, die sich eine Einführung einer Bürgerfunklösung überlegen. Seitens Kantonspolizei sind keine weiteren Schritte geplant; sie steht allerdings interessierten Gemeinden bei Fragen zur Verfügung. (sg)

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