«Olympische Spiele haben ihren eigenen Stellenwert.»
Der Brüttener Jürg Stahl hat als Präsident von Swiss Olympic drei Wochen in Bejing verbracht.
Jürg Stahl, die Olympischen Winterspiele in Beijing sind bei vielen Leuten nicht gut ange- kommen, weil der Austragungs- ort in China war. Wie haben Sie diese Kritik erlebt?
Die Kritik am Austragungsland China war in der Tat grösser als er- wartet. Vor allem hat mich die Intensität der Diskussionen überrascht und leider auch die teilweise mangelnde Herleitung. Einfach die eigenen Ängste ins Feld zu führen, ist nicht fair gegenüber den Sportlern und den vielen Personen, die im Hintergrund unterstützen und für die Leistungen mitverantwortlich sind.
Standen die politischen Themen im Vordergrund der Diskussionen?
Geopolitische Diskussionen sind im- mer ein Teil der Austragungsdebatte, das war schon immer so und wird so bleiben. Auch Brasilien war umstrit- ten als Schwellenland mit Zika-Virus und Favelas – daneben gibt man viel Geld aus für ein Marketingprojekt – ist das richtig? Diese Frage hat durchaus ihre Berechtigung.
Dazu muss man wissen, dass eine Vergabe rund sieben Jahre vor dem eigentlichen Austragungszeitpunkt beginnt. 2015 hatte China noch einen anderen Standard – sie haben aber in den vergangenen Jahren ihren Weg gemacht und wirtschaftlich sind sie definitiv ein grosser Player auch durch die mobile Kommunikation, die wir alle benutzen. Dass eine Auseinandersetzung mit einer Staatsform eines Austragungsortes stattfindet, ist wichtig, aber eben nicht auf den Schultern der Athleten.
«Aber das Wertvollste ist es, den Weg zu gehen.»
Wie war das Feedback der teilnehmenden Athleten?
Ich war mittlerweile an elf olympischen Spielen dabei – bei dreien als Präsident des nationalen olympischen Komitees (NOK) – und ich habe in Beijing keinen signifikanten Unterschied in den Aussagen der Athleten gehört. Sie waren happy, haben gebrannt für ihre Sportart und die Medaillenjagd aufgenommen. Aber ja, sie haben eine neue Ausgangslage angetroffen vor den Spielen.
Was war an der Ausgangslage unterschiedlich?
Erstmals mussten sie sich damit auseinandersetzen, dass sie überhaupt ins Gastgeberland einreisen konnten wegen der Vorschriften. Gesund bleiben galt nicht nur in Bezug auf den Sport, sondern war grundsätzlich ein Thema mit den Kontakten zu anderen – auch dem engeren sportlichen Umfeld wie Trainern, Physiotherapeuten und Helfern. Jede und jeder musste sich überlegen, wie sie/er sich bewegt. Dann die Covid-Tests und allenfalls eine Isolation – das sind alles neue Facetten, die aber von den Athleten gut gemeistert wurden, das zeigen auch die erreichten Erfolge.
Hat der olympische Gedanke also auch in Beijing gezündet?
Definitiv! Olympische Spiele sind der Treffpunkt von supertalentierten Sportlerinnen und Sportlern. Es ist bereits eine Anerkennung, teilnehmen zu können, zeigt es doch, welche Höchstleistung man bereits erbracht hat. Aber das Wertvollste ist es, den Weg zu gehen – bis hierhin zu gelangen.
Warum ist der Weg das Ziel?
Eine Olympiade hat einfach eine andere Strahlkraft als beispielsweise eine WM. An der WM freut man sich definitiv genauso über einen Medaillengewinn. Aber olympische Spiele finden nur alle vier Jahre statt, man muss eine sehr gute Planung haben, auf den Tag genau bereit sein und dafür auch viel erleiden und Rückschläge hinnehmen. Nicht zu vergessen ist auch die Entourage der Sportler. Der Sieg gehört dem Sportler allein, aber ohne die Trainer, Eltern, das persönliche Umfeld, verständnisvolles Lehrpersonal und Ausbildner, medizinisches Personal und auch die Funktionäre, die vor Ort alles aus dem Weg räumen und für optimale Bedingungen rundum sorgen, gibt es diesen Moment nicht. Auch sie hätten eine Anerkennung oder Medaillen durchaus verdient.
Was ist der Wert einer olympischen Medaille?
Eine Olympia-Medaille verändert das Leben. Es ist eine Weichenstellung, die man äusserst selten erlebt, wenn überhaupt einmal: Olympiasieger bleibst du für ein Leben lang, man gehört zu einem kleinen Kreis von Menschen, die es erreicht haben und ich bin sicher, dass bei den meisten Sportlern der non-monetäre Wert bedeu-tend höher liegt ist als der monetäre.
Diese Faszination für Olympische Spiele ist spürbar: Jeder Teilnehmer ist mit einer offiziellen Schweizer Jacke und dem Spirit auf Mission, die Faszination macht vor keinem Athleten oder Helfenden halt, heisst er nun Marco Odermatt, Mathilde Gremaud, Ralph Stöckli oder vor mir.
Interview mit Jürg Stahl, Präsident Swiss Olympic
Das ganze Interview können Sie in der Printausgabe März oder im ePaper lesen.