Region

Gegenwind am Flughafen

Nach dem knappen Ja zum Pistenausbau im Kantonsrat im August 2023, hat die Bürgerinitiative «Fair-in-Air» das Volksreferendum ergriffen und die benötigten Unterschriften gesammelt. Ebenfalls hat fast gleichzeitig der in Birchwil domizilierte Verein «Fluglärmsolidarität» begonnen, Unterschriften für eine Flughafen-Nachtruhe-Initiative zu sammeln. Es weht ein Gegenwind am Flughafen.

Piste 28 am Flughafen Zürich. (rh)

Die Pistenverlängerungen werden kontrovers diskutiert: die einen folgen den Argumenten der Flughafen Zürich AG und wirtschaftsnahen Verbänden wie beispielsweise das «Komitee Weltoffenes Zürich», die Gegner wiederum wehren sich mit allen Mitteln gegen den vom Flughafen gewünschten Ausbau der Pisten 28 und 32. Argumente dafür und dagegen gibt es viele – die beiden Seiten legen Fakten jeweils gegenteilig aus. Die wichtigsten Themen, um welche sich die Argumentarien drehen, sind Sicherheitsaspekte, die Anzahl Flugbewegungen, damit verbunden auch die Lärm- und Abgasemissionen, welche auf die Gesundheit der Anwohnenden schlagen. Daneben stehen Ausbaugelüste der Flughafen Zürich AG im Raum, welche sich nachteilig auf die siebenstündige Nachtruhe auswirken.

Interessen im Ausverkauf

Nachdem im Kantonsrat hauchdünn mit 87-Ja zu 83-Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen die Pistenverlängerungen befürwortet wurden, wurde publik, dass einige Parteien Spendengelder von der Flughafen Zürich AG erhielten, was der Unabhängigkeit des Resultates nicht förderlich war.

«Das Zustandekommen des Volksreferendums zeigt ganz klar: viele Menschen im Kanton Zürich wollen nicht noch mehr Lärm, noch mehr Schadstoffe und noch mehr Flüge am Zürcher Himmel.»

Kantonsrat Urs Dietschi (Grüne)

Die Anwohnergemeinde Rümlang sieht im gefallenen Entscheid des Kantonsrates auch ein Signal: Der Entscheid sei knapp gefallen und eine derart grosse Minderheit zu übergehen und ihr gratis und franko Lasten aufzwingen zu wollen, könne nicht angehen, schreiben sie in einer Mitteilung. Sie zweifeln an der Verbindlichkeit der Zusagen von Seiten Kanton und Flughafen und sehen die Interessen der Bevölkerung nicht vertreten, gar «als stünden sie im Ausverkauf».

Volksreferendum greift

Gegen das Kantonsrats-Ja wurde das Referendum im Kantonsrat ergriffen und auch die Bürgerinitiative «Fair-in-Air» hat mittlerweile das Volksreferendum ergriffen und in kurzer Zeit über 5500 Unterschriften gesammelt in 134 Gemeinden von den 160 im Kanton Zürich. «Das Zustandekommen des Volksreferendums zeigt ganz klar: viele, viele Menschen im Kanton Zürich wollen nicht noch mehr Lärm, noch mehr Schadstoffe und noch mehr Flüge am Zürcher Himmel», sagt Kantonsrat Urs Dietschi (Grüne) von «Fair-in-Air». Das Spannende daran ist: durch das Volksreferendum werden in den Abstimmungsunterlagen auch die Gründe und Aspekte der Gegner des Pistenausbaus gedruckt. Dietschi ist überzeugt, wie er in einer Mitteilung schreibt, «Wenn die Stimmbevölkerung alle Fakten auf dem Tisch hat, wird es zu einem Nein kommen.»

So sehen es auch die verschiedensten Bürgerinitiativen, die sich in einem Dachverband ForumX zusammengeschlossen haben. Ihm gehören neben der Fluglärmsolidarität, «Fair-in-Air», IDEA Flugplatz Dübendorf, Flugschneise Süd NEIN, IG pro zürich 12, Ikarus Erben, Stiftung gegen Fluglärm und das Bürger-Forum Küsnacht an. Mit dieser Bündelung der Kräfte erhoffen sie sich «mehr zu erreichen» in ihrem Kampf für eine faire Verteilung des Fluglärms und der Starts und Landungen auf alle vier Himmelsrichtungen. Viele sind bereits seit mehr als 20 Jahren aktiv bemüht.

Volksinitiative für Nachtruhe

Die neuste Aktion ist nun eine Volksinitiative zur Erhaltung der siebenstündigen Nachtruhe zu lancieren. Dazu sammeln sie seit Mitte Oktober Unterschriften, gehen an Gemeindeversammlungen und geben die Unterschriftenformulare ab. Bis April 2024 müssen sie 6000 Unterschriften sammeln, damit die Initiative gültig ist. Sie fordern mit der Revision des Flughafengesetzes unter anderem die Einhaltung der sieben Stunden dauernden Nachtruhe, Ausnahmen bleiben erlaubt. Zudem soll eine Begründung zeitnah publiziert werden für Flüge, welche in der Sperrzeit stattgefunden haben. Jedermann könne dann Anzeige erstatten bei Zuwiderhandlung.

«Wenn im Flugplan fünf Flüge nach 22.45 Uhr angesetzt sind, kann man sich mit Rollzeit und Startzeiten ausrechnen, dass die Nachtruhe-Zeit von 23 Uhr ständig missachtet wird.»

Walter Rohr, Co-Präsident des Vereins Fluglärmsolidarität.

Die Nachtruhe von sieben Stunden ist bereits heute im Betriebsreglement verankert. Für das Zeitfenster von 23 bis 23.30 Uhr, um Verspätungen abzubauen, wäre eine Ausnahmebewilligung von Seiten des Bundes erforderlich. Die Handhabung dieser Regel wird von vielen Gegnern angezweifelt. «Wenn im Flugplan fünf Flüge nach 22.45 Uhr angesetzt sind, kann man sich mit Rollzeit und Startzeiten ausrechnen, dass die Nachtruhe-Zeit von 23 Uhr ständig missachtet wird», erklärt Walter Rohr, Co-Präsident des Vereins Fluglärmsolidarität. «Desgleichen mit Flügen, die in Stockholm gegen 23 Uhr abfliegen und logischerweise nicht bis 23.30 Uhr in Zürich landen können – und dennoch passiert nichts.» Zu lasch werde dies gehandhabt und der Flughafen nutze dies bereits zur  Kapazitätserweiterung. Die Lärmkennzahlen des Flughafens zeigen, dass 2017 311 Ausnahmebewilligungen erteilt wurden, davon sind 20 Prozent Notfall- oder staatlich angeordnete Einsätze, 80 Prozent sind «diverse Ursachen». Gefordert wird von den Gegnern eine garantierte Nachtruhe von 23 bis 6 Uhr. Der Flughafen sagt, dass Zürich bereits die längste Nachtflugsperre Europas habe und Regeln, zu welcher Zeit sie wo anfliegen dürften. Das Korsett sei eng.

«Wenn als Folge dieser Kritik mit den Pistenverlängerungen eine Massnahme bekämpft wird, die genau dazu Verbesserungen erzielt, ist dies kontraproduktiv.»

Flughafen Zürich AG

«Zurück zur Sachlichkeit»

Im Politikbrief von Herbst 2023, den die Flughafen Zürich AG regelmässig herausgibt, fordern sie «zurück zur Sachlichkeit». Gewisse Voten in der Debatte im Kantonsrat zielten am Inhalt der Pistenverlängerungsvorlage vorbei und stilisierten den politischen Grundsatzentscheid zu einer Grundsatzfrage «Pro oder Contra Flug­verkehr» hoch. Es sei wünschenswert, nüchtern heranzugehen. Es gehe um mehr Sicherheit, Pünktlichkeit und mehr Nachtruhe. Die Pistenverlängerungen seien eine Massnahme, die 2012 in einer Sicherheitsüberprüfung definiert und vom Bund in der Sachplanung festgesetzt wurde.

Zudem kontern die Flughafenverantwortlichen, dass immer wieder der Vorwurf zu hören sei, dass man zu wenig gegen Verspätungen am Abend unternehme, deren Lärmimmissionen als besonders störend empfunden würden. «Wenn als Folge dieser Kritik mit den Pistenverlängerungen eine Massnahme bekämpft wird, die genau dazu Verbesserungen erzielt, ist dies kontraproduktiv.»

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