«Nicht im Dunkeln tappen»
Die Energiemangellage ist in aller Munde und die Flut an Informationen von Bund und Kanton nehmen stetig zu. Die Gemeindeverantwortlichen sehen momentan noch nicht so schwarz, sind jedoch wachsam und prüfen Möglichkeiten, vorausschauend Strom zu sparen.
Kein Tag ohne Meldung zu Stromknappheit oder Gas-Lieferengpässen – Szenarien, die man sich bis anhin in der Schweiz nicht wirklich vorstellen konnte. Der Krieg in der Ukraine hat eine weltweite Energiekrise ausgelöst und die Versorgungssicherheit auch in der Schweiz ins Wanken gebracht. Auch wenn viele nicht davon ausgehen, dass es bis zu Ultima ratio kommt und teilweise Netzabschaltungen nötig werden sollten, werden Weihnachtsbeleuchtungen, Reklamen an Firmen und Eishockey-Saisonabbrüche wegen fehlendem Eis bereits intensiver diskutiert als auch schon. Bei den Gemeinden treffen erste zaghafte Anfragen von besorgten Bürgern ein.
Angespannte Versorgungslage
Ein letzter Blick auf die aktuelle Einschätzung des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) zur aktuellen Lage zeigt, dass «die Versorgungssicherheit derzeit gegeben sei». Gemäss ihrer Einschätzung könnte die Stormversorgung im kommenden Winter aber angespannt werden. Der Füllstand der Schweizer Speicherseen liege aktuell über dem langjährigen Median, die Importkapazitäten seien hoch, eine Unsicherheit seien die Sicherheitsüberprüfungen in den Schweizer und Französischen Kernkraftwerken, die zu reduzierter Verfügbarkeit führten. Daraus leitet der Bundesrat dann Massnahmen ab.
Letzte Woche hat der Kanton Zürich ein Informationspaket an die Gemeinden versandt, welches die Massnahmen des Bundes in vier Schritte aufteilt:
1. Sparappelle
2. Einschränkung oder Verbote nicht zwingend benötigter Geräte oder Anlagen
3. Kontingentierung (betrifft Grossverbraucher)
4. Netzabschaltungen für einige Stunden (Ultima ratio)
Ebenfalls hat der Bund anfangs September eine Kampagne gestartet mit dem Namen «nicht-verschwenden.ch», welche die Bürger sensibilisieren soll, bereits jetzt Energie zu sparen und somit vorzusorgen für einen kalten Winter. Durch das freiwillige Mithelfen aller Bürger, Strom zuhause, in der Freizeit oder bei der Arbeit zu reduzieren, könnten solche Massnahmen wie oben erwähnt verhindert respektive möglichst lange hinausgezögert werden, ist das UVEK sicher.
Diskussionen im Gemeinderat
In Brütten nehme der Gemeinderat das Thema Energieknappheit sehr ernst, erklärt Gemeindeschreiberin Claudia Oswald. «Verschiedene Ideen werden geprüft, insbesondere mit der Feuerwehr. Der Gemeinderat ist offen für Empfehlungen des Kantons und aus Bundesbern und prüft diese laufend.» Auch in Nürensdorf habe man den Leitfaden des Kantons sorgfältig gelesen und sich gefragt, was dies für Nürensdorf bedeute, erklärt Gemeindeschreiber Andreas Ledermann. «Wir sind als Gemeinde mit unseren Liegenschaften kein Grossverbraucher und betreiben kein öffentliches Hallenbad, daher ist die Thematik mit der Kontingentierung vom Tisch.» Aber natürlich werde auch im Nürensdorfer Gemeinderat darüber gesprochen und man werde verschiedenes prüfen, vor allem bei kritischen Aufgaben wie beispielsweise der Feuerwehr, die jedoch mit Notstromaggregaten ausgerüstet sei. Ein eigentliches Strategiepapier sei nicht erarbeitet worden. «Wichtig ist sicher, dass sich jede Person – wie auch wir als Gemeinde – jetzt fragen, wie sie zum Stromsparen beitragen kann. Aber es besteht kein Grund zur Panik. Es gelten die üblichen Massnahmen, die schon immer gegolten haben.» Ein gewisser Notvorrat mit Kerzen und Zündhölzern werde seit mehr als 50 Jahren propagiert und habe weiterhin seine Gültigkeit für Versorgungsengpässe. «Aber ich rechne definitiv nicht mit dem Schlimmsten», erklärt Ledermann.
Systemrelevante Grossverbraucher
In Bassersdorf sieht das anders aus. Mit einem Beschluss von Ende August hat der Gemeinderat 20 000 Franken für eine vertiefte Analyse des Energiehaushaltes in der Gemeinde bereitgestellt. Patrik Baumgartner, Abteilungsleiter Bau + Werke, erklärt: «In Bassersdorf haben wir systemrelevante Betriebe, welche zu den Grossverbrauchern zählen, also einen Jahresverbrauch von 100 000 kWh haben. Dazu zählen etwa die Abwasserreinigungsanlage ARA, zu der auch Nürensdorf und Lindau gehören, sowie das Altersheim oder die Sportanlage bxa». Die EKZ verlange gewisse Risikoabschätzungen und Antworten, wie die Gemeinde mit dem Energieverbrauch solcher Grossverbraucher umgehe. Diese Grundlagen zu erarbeiten und eine vertiefte Risikoabschätzung zu machen, sei das Ziel dieser Vergabe an einen externen Planer gewesen, führt Baumgartner aus. «Wir wollen nicht im Dunkeln tappen.»
Keine Panikmache
Dazu wurde bereits eine Sitzung abgehalten, bei der man sich mit den wichtigsten Personen an dieses Thema herangetastet und eine Auslegeordnung gemacht habe. «Der Gemeindeführungsstab selbst ist zurzeit nicht aktiv, da die Situation nach unserer Einschätzung auch nicht nach einer übertriebenen Hektik schreit».
Abläufe für Notsituationen seien seit langer Zeit definiert, dazu brauche es jetzt keine solche Mangellage, versichert Baumgartner. Dennoch wolle man gut vorbereitet sein und die Gunst der Stunde auch nutzen, sich vertieft im Gemeinderat Gedanken zu machen, wie man zukünftig mit der Situation umgehe und nachhaltig Strom sparen könne. Vereinzelt hat man schon seit vielen Jahren Massnahmen umgesetzt, wie LED-Leuchten, Pelletsheizungen oder auch die Solar-Panels auf Schulhausdächern und über den Klärbecken der ARA, bei der man zwei Drittel des Verbrauchs bereits abdeckt und das Ziel verfolgt, autark zu sein.
Gut vorbereitet
Bassersdorfs Gemeindepräsident Christian Pfaller ergänzt, dass die Thematik der Grossverbraucher entscheidend sei. «Massnahmen, die wir oder die Grossverbraucher für sich treffen, sollten mit den unseren korrespondieren, sonst könnten sie sich als Boomerang erweisen. Wir sind da miteinander verknüpft.» Wichtig sei auch, in solchen Situationen die Ruhe zu bewahren und keine Schnellschüsse vorzunehmen. «Wir bereiten uns mit dieser Vergabe gut vor und nutzen die Zeit bis zum Winter, um Erkenntnisse zu gewinnen.» Auch wenn am Ende gar nichts eintreffe von den verschiedenen Szenarien, hätten sie trotzdem eine gute Grundlage, um in der Gemeinde das Thema Energieverbrauch weiterzutreiben. Also: «keine Panik auslösen, keine Schnellschüsse – Vorarbeit leisten!»
In diesem Punkt stimmen alle Gemeinden überein. Alles, was man vertieft durchdacht habe, helfe in Krisenzeiten auch beim schnelleren Entscheiden. «Kennt man die Personen oder Abläufe, ist man am Ende effizienter.» Einiges habe man auch aus der Coronasituation lernen können.
Alle im selben Boot
Andreas Ledermann wie Patrik Baumgartner befürworten die Kampagne des Bundes, präventiv bereits aktiv zu werden, sein eigenes Verhalten zu hinterfragen und sich zu überlegen, wieviel Strom man als Privatperson unnütz verschwende. «Hier nehmen die Verwaltungen sicher auch eine Vorbildfunktion ein. Wir können nicht mitpredigen, die Räume tiefer zu heizen und ziehen selbst nicht mit», erklärt Baumgartner. Am Ende müssten alle am selben Strick ziehen: «Was wir jetzt sparen, steht uns gespeichert für später zur Verfügung!»
Links zu Informationen:
Feuerwehr abgesichert
Mario Winiger, Kommandant der Feuerwehr Altbach, versichert, dass gut funktionierende Konzepte für Notfallsituationen verschiedenster Art und Alarmierungen bestünden. «Beim Strom sind wir autonom, haben auch Generatoren auf unseren Fahrzeugen und genügend Treibstoffreserven, um sie zu betreiben.» Sollten diese eigenen Reserven nicht reichen, hätte die Feuerwehr zusätzliche Möglichkeiten. Auch das Sicherheitsfunknetz der Schweiz – Polycom –, welches von verschiedensten Organisationen wie der Feuerwehr, der Polizei oder dem medizinischen Rettungswesen benutzt wird, sei gewährleistet. Die Feuerwehr sei in den Gemeindeführungsstäben eingebunden, sollte es nötig sein, diese Funktion zu aktivieren. «Daher mache ich mir im Moment auch noch keine allzu grossen Sorgen», beruhigt Mario Winiger. (sg)