Bassersdorf

«Der Grossteil der Jugendlichen lässt sich nicht unterkriegen»

Jugendarbeiter Moritz Wey spricht über eine herausfordernde Zeit und sagt: «Die Regeln werden auf Sinnhaftigkeit überprüft und Widersprüche dabei auch schonungslos offengelegt.»

Das Team der Jugendarbeit Bassersdorf (v.l. Jasna Aiello, Moritz Wey, Rebecca Camenzind, Amon Meier) noch vor der schwierigen Corona-Zeit. (sg)

Für die Jugendlichen war das vergangene Jahr sehr herausfordernd, ihre sozialen Kontaktmöglichkeiten wurden drastisch beschnitten. Wie haben Sie von der Jugendarbeit die Situation empfunden?
Die Coronazeit war für uns alle eine Herausforderung, das wird niemand bestreiten. Für die Jugendlichen sind soziale Kontakte in diesem Alter enorm wichtig. Die Treffen im öffentlichen Raum, das Miteinander reden und Musik hören, chillen und abhängen gehören zur Entwicklung dazu. Leider war das nur noch beschränkt oder nicht mehr möglich. Die Pandemie-Massnahmen treffen junge Menschen im Besonderen – immerhin ist das mittlerweile auch in der breiten Bevölkerung angekommen.

Wurden die Regeln von den Jugendlichen denn eingehalten?
Ja, mehrheitlich schon. Zu Beginn der Corona-Welle im März wurde das Maskentragen noch heftig mit uns diskutiert, mittlerweile hat es sich gelegt und das Maskentragen ist akzeptiert. Wir haben bemerkt, dass gewisse Jugendlichen sehr sensibel reagieren auf die Corona-Pandemie. Wenn es dann um die Einschränkungen geht, schauen sie alle genau hin: Die Regeln werden auf Sinnhaftigkeit überprüft und Widersprüche dabei auch schonungslos offengelegt. Zum Beispiel teilen sie draussen in der Gruppe munter ihre Chips aus der Tüte – im JAM dürfen wir dies nicht tolerieren. Das wollen sie natürlich nicht verstehen.
Zudem war es auch für uns Jugendarbeitenden schwierig, für alle Regeln immer Verständnis aufzubringen und diese konsequent umzusetzen. Diesen Spagat haben die Jugendlichen natürlich gespürt, was aber durchaus auch ein guter und richtiger Prozess war. Sie sollen spüren, dass auch wir uns damit auseinandersetzen, uns nicht immer einig sind und trotzdem Wege finden.

«Wir trauen den Jugendlichen durchaus etwas zu.»

Moritz Wey, Jugendarbeiter

Wie verlief das Leben im Jugendhaus JAM?
Schwierig – vor allem wegen der Beschränkungen der Personenzahl. Die Rahmenbedingungen für einen einigermassen sinnvollen Betrieb des Jugis waren sehr eng gesetzt. Bis vor kurzem haben wir die Jugendlichen räumlich getrennt – die Älteren (16+) kamen durch den Garten in einen grossen Raum im Untergeschoss, die Jüngeren (U16) teilten sich die restlichen Räume innerhalb des Jugendtreffs. Dazu kam, dass die Regeln auch immer wieder geändert wurden. Einschneidend waren jedoch die Anpassungen im November und im Dezember, welche zunächst die Alterstrennung und schliesslich die Beschränkung unserer Öffnungszeiten bis 19 Uhr zur Folge hatten. Das hat dazu geführt, dass wir vermehrt aufsuchend unterwegs waren. Wir wollten den Kontakt zu den älteren Jugendlichen auf keinen Fall verlieren. Aber auch bei uns fielen Teammitglieder aus. Alles in allem eine ernüchternde Zeit, die auch an unserer Motivation nagte.

Ein wichtiger Aspekt der Jugendarbeit ist das Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen, der Kontakt. Konnten Sie diesen aufrechterhalten?
Stimmt, die Vertrauensbasis ist ein essenzieller Teil. Die Jugendlichen brauchen uns als Ansprechpersonen, um Situationen reflektieren zu können, die sie beschäftigen. Wir mussten viele unserer Angebote absagen und neue Angebote, die wir aufgrund der Sozialraumanalyse des vergangenen Jahres aufgegleist hatten, wurden mit dem Lockdown und den Einschränkungen gleich wieder gebremst. Um den Kontakt zu halten, waren wir viel aufsuchend unterwegs, in den Wintermonaten vor allem auf dem Dorf- oder Bahnhofsplatz. Einige Beziehungen sind trotz der schwierigen Zeit auch gewachsen, bei manchen haben wir eine gewisse Reife wahrgenommen. Der Grossteil der Jugendlichen lässt sich zum Glück nicht unterkriegen.

Erstaunt Sie das?
Ja und Nein. Wir trauen den Jugendlichen durchaus etwas zu. Sie sind anpassungsfähig und können rasch eine grosse Willenskraft aufbauen – vorausgesetzt, sie sind einigermassen gesund. Ihre Entwicklung ist auch nicht linear: Manchmal ‹geschieht› lange nichts, bis sie dann einen enormen Sprung machen. Andererseits sind die Einflüsse, die auf die jungen Erwachsenen heutzutage einwirken, komplex und die Forderungen an ihr Leistungsvermögen sehr hoch. Dass sie auch mal Dampf ablassen, gehört dazu. Geschieht dies in unserem Rahmen, können wir pädagogisch darauf reagieren. Dafür sind wir da.

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Spannendes Arbeitsfeld zum Wohle der Jugend

Roger Bollhalder übernimmt Bereichsleitung

Roger Bollhalder hat seit anfangs November vergangenen Jahres die Bereichsleitung Jugend und Integration bei der Gemeinde Bassersdorf übernommen und ist neben der sozial-räumlichen Jugendarbeit auch für die Leitung der Schulsozialarbeit, Integration und Frühförderung sowie Freiwilligenarbeit zuständig. Bollhalder hat zuvor acht Jahre die Jugendarbeit in Horgen geleitet. «Mein Arbeitsfeld hat sich hier in Bassersdorf ver-breitert und bezieht nun von der Frühförderung in jüngeren Jahren bis zur Jugendarbeit alles mit ein. Das ist sehr spannend und bereichernd», sagt er. In Bassersdorf habe er bereits ein gut funktionierendes Umfeld angetroffen. «Das JAM läuft gut und ist beliebt. Wir sind aber auch an neuen Wegen dran, wollen weg vom reinen Jugendtreff und prüfen zurzeit verschiedene Möglichkeiten», erklärt der Fachmann. Da sein Jobantritt mitten in die Coronazeit fiel, sei er auch vorsichtig in seinen Beurteilungen – es sei keine repräsentative Zeit und widerspiegle nicht das normale Leben, weder im Schulalltag noch in der Jugendarbeit. «Aber ich freue mich, diese überaus spannenden und herausfordernden Arbeitsfelder mitgestalten zu dürfen.»

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