Bassersdorf

«Es gibt Menschen, die warten so lange, bis es fast zu spät ist»

Im Interview erzählt Nicolas Felber, Abteilungsleiter Alter + Soziales, von seinem Alltag – und wie Corona seine Arbeit beeinflusst.

Nicolas Felber hat sich in Bassersdorf als Abteilungsleiter Alter + Soziales gut eingelebt. (ar)

Nicolas Felber, Sie sind seit einem Jahr Abteilungsleiter Alter + Soziales in Bassersdorf. Was gefällt Ihnen an dieser Aufgabe im Speziellen?
Das Schöne an meiner Aufgabe und gleichzeitig eine ständige Herausforderung ist, dass ich nie im Voraus weiss, wie mein Tag aussehen wird. Natürlich habe ich festgelegte Termine, aber es gibt immer eine schöne Prise Unerwartetes. Ich mag diese Abwechslung, denn ich bin nicht eine Person für ruhige Gewässer. Es hätte sicher einen idealeren Zeitpunkt gegeben, eine solche Stelle anzutreten, als in Zeiten von Corona. Gerade das Alters- und Pflegezentrum Breiti (APZ) war stark im Fokus mit allen Schutzmassnahmen wie auch die politischen Unsicherheiten in den letzten Jahren, welche mit der Abstimmung im Herbst hoffent­lich ein Ende genommen haben. Jetzt ist alles klar und man kann wieder vorwärtsschauen, was besonders für das Personal eine ungeheure Beruhigung ist, nach diesen turbulenten Zeiten.

Was ist die grösste Herausforderung in Ihrer Tätigkeit?
Mit allen Ansprüchen, die von Klienten, vom Team, von der Politik, von der Bevölkerung kommen, ein Paket zu schnüren, zu dem ich stehen und das ich auf alle Seiten vertreten kann. Prioritäten setzen gehört natürlich auch dazu. Wenn man keine Freude daran hat, Kompromiss-Lösungen zu suchen, ist man definitiv an der falschen Stelle. Auch dann, wenn nicht jede Lösung zu hundert Prozent für alle Beteiligten positiv ist. Es gehört dazu, dass ich immer versuche, mich auch in die Klienten und ihr Befinden sowie in ihre Situation hinein zu denken. Niemand kommt gerne aufs Sozialamt. Es gibt Menschen, die warten zu lange. So lange, bis es fast zu spät ist. Scham ist hier ein grosser Hemmer. Gleichzeitig denke ich auch an den Gemeinderat, der Entscheide gegenüber der Bevölkerung und somit dem Steuerzahler vertreten muss. Und immer habe ich auch eine finanzielle Brille auf, um die Kosten im Griff zu behalten. Ich weiss auch, dass ich es nicht allen recht machen kann – für jemanden ist es immer falsch.

Kann man etwas sagen über die Altersstruktur der Fälle, die wegen Corona zu Ihnen kommen?
Da gibt es eigentlich alles. Jüngere, die nach der Lehre nun keine Stelle finden; Ältere, die zum Teil bei Entlassungswellen schneller die Stelle verlieren. In Bassersdorf haben wir in der Sozialhilfe die Auswirkungen aber mehr gespürt als andere Gemeinden. Vielleicht hat dies auch mit der Nähe zum Flughafen zu tun.

«Ziel muss es sein, Menschen nicht aus der Gesellschaft auszuschliessen.»

Nicolas Felber, Abteilungsleiter Alter + Soziales

Was möchten Sie ganz persönlich mit Ihrer Tätigkeit erreichen?
Grundsätzlich hatte ich immer schon den Anspruch, eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben. Deshalb habe ich nach meiner Informatik-Ausbildung auch einen zweiten Weg eingeschlagen. Ich möchte mich einsetzen dafür, dass sinnvolle Lösungen gefunden werden für Menschen, die in einer Lage sind, in der niemand gerne ist. Meine Erfahrung ist die, dass die allerwenigsten Leute mit Absicht finanzielle Unterstützung von der Gemeinde erhalten wollen. Im Gegenteil! Ausnahmen gibt es, wie in jedem System. Egal wie locker oder streng dieses ist. Es gibt starke Kontrollen, welche einen Betrug weitgehend verhindern. Viele schämen sich auch und melden sich sehr spät bei uns, beispielsweise um Ergänzungsleistungen zu beantragen. Ich möchte sinnvolle Hilfe bieten können. Es geht auch darum, die Hürden zu unserer Abteilung nicht sperrig zu gestalten. Ziel muss es sein, Menschen nicht aus der Gesellschaft auszuschliessen, sondern zu ermöglichen, im Sinn einer Überbrückung Teil derselben zu bleiben.

Welche Vision haben Sie für Bassersdorf in Ihrem Berufsfeld?
Grundsätzlich macht Bassersdorf schon sehr viel, sehr, sehr gut. Künftig wird die Digitalisierung neue Herausforderungen bringen. Einige Klienten verfügen zum Beispiel nur noch über online-Bankkonten, wo das Vorweisen von ausgedruckte Bankauszüge nicht mehr ohne weiteres möglich ist. Viele schreiben auch keine Mails oder Briefe mehr, sondern äussern sich im Alltag über WhatsApp. Eigentlich ist es auch eine Anpassung an die Veränderungen in der Gesellschaft, die in diese Richtung laufen und daran muss sich natürlich auch eine Gemeinde teilweise anpassen. Das wird sicher für uns alle eine Herausforderung.

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